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Rüttgers, Kraft oder Neuwahlen?


23.05.10

Rüttgers,  Kraft oder Neuwahlen?

Hannelore Kraft könnte ihren Überholvorgang in NRW erfolgreich abschließen und Ministerpräsidentin werden.

(MEDRUM) Die Landtagswahl in NRW brachte Jürgen Rüttgers dramatische Stimmenverluste, aber keine klaren Mehrheitsverhältnisse für den künftigen Landtag. Nach der Absage der FDP an eine Ampelkoalition und der Absage von SPD und Grünen an die Linkspartei wollen SPD und CDU jetzt die Möglichkeit einer Großen Koalition prüfen. Der Ausgang ist ungewiß. Die besten Chancen für das Amt des Ministerpräsidenten hat jedoch Hannelore Kraft (SPD).

Wähler neutralisieren Rüttgers

Mit einem Stimmenverlust von mehr als 1 Mio Wählerstimmen ist Rüttgers unumstritten der große Wahlverlierer der Landtagswahlen 2010 in NRW. Der einstige Sieger von 2005 kann weder die christlich-bürgerliche Koalition mit der FDP fortsetzen noch eine schwarz-grüne Koaliton bilden. Die CDU verfügt nur noch über 67 Sitze und liegt damit gleichauf mit der SPD. Das reicht trotz leichter Stimmengewinne der FDP von 13.963 Wählerstimmen nicht einmal mehr annähernd für eine Regierungsbildung. Union und FDP kommen im künftigen Landtag zusammengerechnet nur noch auf 80 von insgesamt 181 Sitzen. Für eine regierungsfähige Mehrheit von 91 Sitzen sind dies 11 Sitze zu wenig. Auch eine Koalition mit den Grünen ist nicht möglich. Dafür hätten Union und Grüne, trotz 23 Sitzen der Grünen, mit zusammen 90 Sitzen einen Sitz zu wenig (Grafik unten).

 

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Es stand bereits am Wahlabend fest, daß Rüttgers keine Chance haben würde, das Heft für eine Regierungsbildung in die eigene Hand zu nehmen. Er musste zunächst die Sondierungsgespräche von SPD und Grünen abwarten und ist jetzt auf die Bereitschaft der gleichstarken SPD angewiesen, eine Große Koalition mit der CDU zu bilden. Dies lässt die Position der Schwäche, in die Rüttger geraten ist, offenkundig werden. Dennoch hat Rüttgers bisher keinen Verzicht auf das Ministerpräsidentenamt erklärt. Er konnte am Ende der Stimmenauszählung noch einen hauchdünnen Vorsprung von 5.882 Stimmen (2 Promille) vor der SPD verbuchen. Rüttgers einzig verbliebene Möglichkeit, noch an der Macht zu bleiben, bildet seither die eher vage Hoffnung, mit der SPD eine Große Koaliton unter seiner Führung bilden zu können. Doch dürfte sich dies schnell als Illusion erweisen, wenn Hannelore Kraft ihren Kurs unbeirrt fortsetzt.

Kraft am stärkeren Hebel

Nach der Entscheidung von SPD und Grünen, keine Regierung unter Beteiligung der Linken zu bilden, und dem jetzigen Angebot von Kraft an die Union, Gespräche über die Möglichkeit einer gemeinsamen Regierungsbildung zu führen, wird es davon abhängen, ob eine Einigung zwischen CDU und SPD über die künftige Landespolitik in NRW und die Frage erzielt werden kann, wer das Amt des Ministerpräsidenten besetzt. Das Zünglein an der Waage könnten knapp 6.000 Stimmen spielen, die Rüttgers als Argument ins Feld führen kann, um das Ministerpräsidentenamt für die Union oder sich selbst zu beanspruchen. Doch diese sind kein Pfund, mit dem Rüttgers und die CDU wuchern könnten. Falls Kraft und die SPD dies nicht als Argument für eine CDU-geführte Regierung akzeptieren, heißt die für die CDU ungünstigste Alternative: Neuwahlen. Denn wenn der Wähler nochmals zu den Wahlurnen gerufen wird, können SPD und Grüne - im Gegensatz zu CDU und FDP - bei der derzeitigen politischen Stimmungslage von einem weiteren Stimmenzuwachs ausgehen und dürften dann in der Lage sein, ihre rot-grüne Wunschkoalition bilden zu können.

Sollte Hannelore Kraft diese Perspektiven so einschätzen, müsste sie lediglich ihren bisherigen Kurs fortsetzen. Das hieße: Sie hält am Anspruch der SPD fest, die künftige Landesregierung zu führen, und schließt die LINKE weiterhin als Koalitionspartner aus. Dann wird Kraft den Überholvorgang, zu dem sie bei der Landtagswahl Anfang Mai angesetzt hat, entweder ohne oder nach Neuwahlen mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich abschließen und zur Ministerpräsidentin von NRW gewählt werden können. Für die Union bliebe dann lediglich zu entscheiden, ob sie demnächst in ein von Kraft geführtes Kabinett eintreten oder die Oppositionsbank drücken will. Die Dinge liegen also anders als es von Greta Geller in der Tagespost (29.04.10) eingeschätzt wurde. Sie meinte zur NRW-Wahl, an der Linken führe kein realistischer Weg vorbei, wenn die SPD an die Macht wolle. Diese Einschätzung erwies sich als trügerisch. Tatsache ist: Bei der Regierungsbildung in NRW führt kein Weg an Hannelore Kraft und der SPD vorbei. Rüttgers und die LINKE sind keine Hauptdarsteller. Ihnen fallen (wie der FDP, wenn sie an der Verweigerung einer Ampelkoalition festhält) zumindest in NRW nur noch Zweit- oder Nebenrollen zu. Das Sagen hat die SPD.