Sie sind hier

Rückritt von Horst Köhler für alle ein Alarmzeichen


31.05.10

Rückritt von Horst Köhler für alle ein Alarmzeichen

Konferenz Bekennender Gemeinschaften vom Rücktritt des Bundespräsidenten zutiefst betroffen

(MEDRUM) Der heutige Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler wegen diffamierender Kritik aus den Reihen der Bundestagsparteien hat vielfach große Betroffenheit und Nachdenklichkeit ausgelöst.

Köhler hat seinen Rücktritt mit mangelndem Respekt vor seinem Amt begründet. Der Bundespräsident war zuvor besonders scharf vom Vorsitzenden der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, Jürgen Trittin, kritisiert worden. Trittin hatte Köhler, nach dessen Erläuterung zur Notwendigkeit von militärischen Einsätzen und zum politischen Diskurs in der Gesellschaft in einem Rundfunkinterview im Deutschlandradio, vorgeworfen, Wirtschaftsinteressen mit dem Krieg in Afghanistan zu verbinden. Der Fraktionschef der Grünen hatte Köhler vor Kanonenboot-Politik gewarnt und mit einer "losen Deckskanone an der Spitze des Staates" verglichen (mangelnden Respekt vor dem Amt des Staatsoberhauptes hatte der Fraktionsvorsitzende der Grünen bereits 2004 gezeigt, als er nach der Wahl Köhlers zum Bundespräsidenten in der Bundesversammlung die Nationalhymne nicht mitgesungen und die Hand in der Hosentasche vergraben hatte). Auch Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, erhob schwere Vorwürfe gegen Köhler. Opperman äußerte im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, Köhler schade der Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Deutschland führe keinen Krieg aus Wirtschaftsinteressen.

Der STERN (28.05.10) kommentierte die Kritik am Bundespräsidenten aus den Reihen der Oppositionsparteien wie folgt:

"Nimmt man die Reaktionen der politischen Opposition als Maßstab, dann steht das deutsche Staatsoberhaupt entweder schon nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes. Oder zumindest ganz am Rande der Verfassung."

Für die haltlose Kritik am Bundespräsidenten war auch aus den Reihen der CDU, beispielsweise von Ruprecht Polenz, Verständnis geäußert worden. Köhlers Äußerung sei "keine besonders glückliche Formulierung, um es vorsichtig auszudrücken", sagt Polenz laut SPIEGEL ONLINE.

Köhler erklärte vor diesem Hintergrund bei seinem heutigen Rücktritt, für derartige Kritik gebe es keinerlei Rechtfertigung. Köhler wörtlich:

"Die Kritik geht aber so weit, mir zu unterstellen, ich befürwortete Einsätze der Bundeswehr die vom Grundgesetz nicht gedeckt wären. Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen."

Die Stimme von Pfarrer Ulrich Rüß (Hamburg), Präsident der Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften und Vorsitzender der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in Deutschland, spricht wahrscheinlich vielen Christen aus dem Herzen und drückt tiefste Betroffenheit aus. In seiner heutigen Erklärung bezeichnete Rüß den Rücktritt des Bundespräsidenten als ein alarmierendes Signal:

Der Rücktritt von Bundespräsident Host Köhler macht zutiefst betroffen. Mit ihm hatte unser Land einen glaubwürdigen und bekennenden Christen an der Spitze, der Mut zum Glauben machte und für christliche Tugenden stand. Dafür gebührt ihm Achtung und Dank.

Horst Köhler war den Menschen zugewandt, aufrichtig, geradlinig und ließ sich nicht verbiegen. Er hob sich wohltuend von vielen Politikern ab, gerade von jenen, die ihn kritisierten. Der Rücktritt und seine Begründung sind für alle ein Alarmzeichen. Bei aller notwendigen demokratischen Streitkultur müssen wir in unserem Land den Respekt, die Achtung und die Würde von Amt und Amtsträgern wahren. Der Rücktritt von Horst Köhler ist ein großer Verlust.

Pfarrer Ulrich Rüß steht seit 2009 an der Spitze der Internationalen Konferenz Bekennende Gemeinschaften (IKBG). Er hat das Präsidentenamt von Professor Peter Beyerhaus, Leiter des Instituts Diakrisis, übernommen, der fast 30 Jahre die Geschicke der IKBG lenkte. Die IKBG versteht sich als eine Bewegung glaubenstreuer Christen, die sich gegen eine als "bedrohlich empfundene geistlich-theologische Verflachung, ideologische Politisierung und Synkretisierung" des Glaubens aussprechen.


MEDRUM -> Bundespräsident Horst Köhler hat sofortigen Rücktritt erklärt

MEDRUM -> Das Namenskarussel dreht sich

28.05.10 Stern Mit dem Bumerang auf Präsidentenjagd
27.05.10 Spiegel Köhler entfacht neue Kriegsdebatte
27.05.10 FOCUS Empörung über Köhler-Worte
27.05.10 Süddeutsche Zeitung Köhler: Krieg für freien Handel
22.05.10 Deutschlandradio Köhler: Mehr Respekt für deutsche Soldaten in Afghanistan
21.05.10 Zeit Köhler besucht deutsche Truppen in Afghanistan


Leserbriefe

Auch ich empfinde den Rücktritt von Herrn Köhler als großen Verlust. Danke für den heutigen Bericht und die Wiedergabe des Briefes von Herrn Rüß - der mir aus dem Herzen spricht. A. Rosebrock

Ich verstehe den Rücktritt Horst Köhlers als Gebrauch seines stärksten Machtmittels, um auf sich aufmerksam zu machen. Während die Medien ihm heute morgen im Wesentlichen nachsagen, er wäre gescheitert, frage ich mich, wozu setzt ein intelligenter und integrer Mann wie Köhler dieses Machtmittel ein?

Ich habe ihn so verstanden. Er möchte ein Zeichen setzen in Deutschland für den politischen Umgang miteinander. Er möchte darauf aufmerksam machen, dass unsere Oppositionsparteien und etliche Medien ohne Rücksicht auf Verluste den Menschen das Wort im Munde herumdrehen und dabei mit zweierlei Maß gemessen wird.

Dies zeigt sich deutlich daran, dass "Wirtschaftsinteressen" angeblich nicht durch die Bundeswehr verteidigt werden dürften. So wird medial der Antipirateneinsatz am Horn von Afrika zum imperialistischen Krieg erklärt. Aber was ausser Wirtschaftsinteressen bedrohen die Piraten denn dort überhaupt? Wenn Wirtschaftsinteressen nicht zählen würden, könnte man einfach für jeden Gekidnappten sofort das gewünschte Lösegeld zahlen. Wir hätten kein Piratenproblem mehr. Oder noch besser: Wir würden Schutzgeld zahlen, dann würden die Piraten nicht einmal mehr unsere Bürger gefangen nehmen.

Wenn alle nur das Beste wolle, schockiert sind und Betroffenheit zeigen, wird es nichts nützen. Zu lange haben Christen zu gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Land geschwiegen, haben sich in ihre Kirchen verbannen lassen. Wer hat jetzt noch den Durchblick und die Weisheit das Richtige vom Falschen zu unterscheiden? Im Grunde hat Köhler nur gesagt, was faktisch mit unserer Kriegsanbindung an Amerika vorliegt. Wir suchen unsere Interessen mit Gewalt zu wahren. Und die Christen im Lande? Der Ökumenischer Kirchentag hat unter anderem eines deutlich gemacht. Es geht nicht darum das die Kirchen aufeinander zu gehen, sondern dass sie gemeinsam auf Christus zugehen. Das hat eine ganz andere Richtung und vor allem, das hat Zukunft in Klarheit.

Ich hatte große Hoffnung, als Herr Köhler Bundespräsident wurde, da er auch gegenüber dem Christentum sehr positiv eingestellt ist. Doch, was hat unser Bundespräsident in den sechs Jahren für unser Land herbeigeführt? Inzwischen frage ich mich, ob dies nicht eine völlig überflüssige Position in unserem Land ist.

Geht der Kapitän von Bord sollten die Passagiere schleunigst folgen. Zur Wahl steht das Rettungsboot des Herrn Jesus Christus. Der Rücktritt des Herrn Köhler war sicher nur das i-Tüpfelchen. Wir wissen ja das bevor man den Punkt macht man erst das i schreibt. Die Gründe und Beweggründe einer solchen Handlung sind zu respektieren, aber als Zeichen dennoch nicht zu ignorieren. LG

Ich habe mehrfach den traurigen Abgang des Bundespräsidenten in den Medien beobachtet. Einsam, fast wie verloren, die Frau schweigend an seiner Seite. Lange Pausen zwischen den einzelnen Sätzen. Ein gebrochener Mann? - Bereits einen Tag später dreht sich das Karussel und neue Kanditaten werden gehandelt. Mir geht das alles viel zu schnell. Kann man nicht mal einen oder zwei Tage schweigen?

Ich frage mich, was hat unseren Bundespräsidenten bewegt, den Präsidentensitz hastig Hals über Kopf zu verlassen? Wo bleibt da Zeit für Abschied im eigenen Haus? Was hat ihn daran gehindert, alle Politiker kurzfristig einzuladen, ich meine, alle Politiker an einen großen Tisch, um vor allem mal gründlich und mit allen Tacheles zu reden, zu sagen und zu diskutieren, was ihn bewegt?

Was ich mir jetzt wünsche: dass ein neuer Bundespräsident parteiübergreifend lediglich vorgeschlagen - und dann vom Volk gewählt wird. Dann müssen die Politiker respektieren, was das Volk wünscht... - Bei den neuen aktuellen Personalvorschlägen habe ich persönlich meine Bedenken. Da sind wieder nur zwei Parteien, die sich gute Chancen ausrechnen und am Ende vielleicht mit ihrem Vorschlag dominieren - anstatt alle Parteien von Anfang an ins Boot zu holen... Umkehr und Umdenken wären angesagt. Doch dazu braucht man vielleicht mal ein oder zwei Tage Schweigen...

Noch mal unmißverständlich und konkret: Was spricht künftig dagegen, die Politiker benennen parteiübergreifend mehrere Frauen oder Männer, die sie sich für dieses hohe Amt in unserem Land vorstellen können? Das Volk hat dann die Möglichkeit zu wählen. - Der Bundespräsident bekäme dann seine primäre Legitimität ganz direkt vom Volk. - Das Volk macht dann künftig keine Abstimmungen im Internet, die von unseren Politikern bei der Entscheidungsfindung gar nicht wahrgenommen werden müssen, sondern entscheidet auf direktem Wege mit... - Warum diese Gedanken? Horst Köhler hat seinen Rücktritt gegenüber dem Volk öffentlich erklärt - und nicht in einer öffentlichen Sitzung vor den Politikern, die ihn gewählt (oder nicht gewählt) haben. - Vielleicht hätte Horst Köhler jetzt mal das Volk bitten sollen, ob sie ihn weiter als Präsidenten wünschen oder nicht...

Nun sind es schon mehrere Tage her, dass Bundespräsident Horst Köhler zurückgetreten ist. Die Regierungskoalition hat den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff als Kandidaten für die Präsidentenwahl nominiert. Im Unterschied zu Köhler ist er "Berufspolitiker" und als bisheriger Regierungschef einer christ-liberalen Koalition gewiss ein getreuer Parteisoldat für Merkels christ-liberale Koalition in Berlin. Und genau das unterscheidet ihn von Köhler: Köhler schaute immer parteiunabhängig genau hin, wie auf seiten der Regierung agiert wurde.

Als Merkel schon vor ihrer Vereidigung als Kanzlerin ankündigte, einen Haushalt vorzulegen, der dem Grundgesetz widersprach (man stelle sich das nur vor!), entgegnete Köhler, wie er sie dann zur Kanzlerin ernennen solle. Merkel korrigierte nach. Dann fiel Köhler immer wieder dadurch auf, dass er peinlich genau prüfen ließ, inwiefern ihm zur Unterschrift vorgelegte zweifelhafte Gesetze dem Grundgesetz konform seien. Auch dies ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik. Mit scharfen Worten wie kein zweiter ("Monster-Kapitalismus") kritisierte er, der Finanzmann von Weltrang, den weltweiten Finanzmarkt, der die Welt inzwischen in eine Krise geführt hat, die erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg einstige Spitzenpolitiker wie Kohl, Schmidt und Fischer dazu bewegt, ein Ende der Friedensepoche in Europa in den Bereich des Möglichen zu rücken.

Die jüngste Entwicklung war das Rettungspaket für den Euro, mit dem Griechenland gestützt werden soll, das in ein, zwei Tagen durch alle Gremien gejagt wurde und dann vom Bundespräsidenten unterschrieben werden sollte. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als dies zu tun. Hätte er darauf bestanden, das Gesetz in Ruhe prüfen zu wollen (ob eventuelle verfassungsrechtliche Bedenken zu finden gewesen wären, kann ich nicht beurteilen, vermute es aber), wären die europäischen Finanzsysteme wohl Knall auf Fall kollabiert und die Börsen zusammengebrochen. Man darf vermuten, dass Köhler hinter den Kulissen (von Merkel?) die Pistole auf die Brust gesetzt bekommen hat.

In dieser Entwicklung war nun die jüngste Kritik an seinen Äußerungen zur Rolle der Bundeswehr nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Man beachte, dass Merkel kein Wort der Verteidigung hören ließ, sondern zu den Vorwürfen gegen Köhler einfach schwieg, Vorwürfe, die auch aus den Regierungsparteien kamen!! Welche Demütigung, welche Beschädigung des Amtes, dass er selbst nun seine Äußerungen, die durchaus der Bundespolitik und auch dem offiziellen Weißbuch der Bundeswehr entsprechen, verteidigen musste!

Köhler, so ist mein Eindruck, kam zum Schluss, dass er als Bundespräsident gute Miene zum bösen Spiel einer Politik machen solle, die jegliches Maß und Ziel verloren hat: der Bundespräsident als Erfüllungsgehilfe einer Bundesregierung, die nur auf kurzsichtigen Pragmatismus setzt, aber jede langfristige, auf tragfähige Werte begründete Perspektive eingebüßt hat. Ein solcher Wert wäre z.B. die Bejahung der Überzeugung, dass Handlungen Konsequenzen haben. An Griechenland lernen andere europäische Staaten derzeit, dass Handlungen eben keine Konsequenzen haben. Als früherer Sparkassen- und IWF-Präsident, zumal aus einfachen Verhältnissen stammend, steht Köhler für eine bodenständige Sicht der Finanzwirtschaft. Und zu dieser Bodenständigkeit gehört auch der realistische Blick auf die Bundeswehr und ihren Einsatz für die Freiheit, die immer auch eine Freiheit der Handelswege und -beziehungen ist. Wo der Freiheitsbegriff seine Bodenhaftung verliert, führt das in die Utopie und letztlich in die Katastrophe. Dunkle Wolken ziehen auf...

Gratulation an die SPD, die Herrn Gauck vorgeschlagen hat. - Ich schätze die ruhige Ausstrahlung von Herrn Wulff, aber mich überzeugt noch mehr, dass die SPD über den Tellerrand geschaut hat, um jemanden zu suchen, der parteiübergreifend und nicht parteigebunden engagiert ist. - Jetzt hoffe ich, dass die Wahlfrauen und Wahlmänner wahrnehmen, was die Bevölkerung braucht und mutig wählen... Was wir brauchen, ist jemand, der in klarer und einfacher Sprache Sprachbarrieren aufbrechen will und parteiübergreifend das Volk in Ost und West vertritt.