09.06.10
Entwarnung: kein "Sprach-Irrsinn" in der Schweizer Bundeskanzlei
Mutter oder Vater muß nicht durch "das Elter" ersetzt werden
(MEDRUM) Die Schweizer Bundeskanzlei hat klargestellt, daß es keinerlei Vorgaben für die geschlechtergerechte Sprache im Bund gibt, nach denen die Begriffe Mutter oder Vater durch das Wort "Elter" ersetzt werden müssten.
"Entwarnung: einen Sprach-Irrsinn gibt es bei uns nicht", stellt Thomas Abegglen, Stellvertretender Leiter Information & Kommunikation der Bundeskanzlei, gegenüber MEDRUM zum Bericht der Zeitung BLICK (Bild links) fest. "Wir haben zwar einen verbindlichen Leitfaden für die geschlechtergerechte Sprache, aber er ist als Hilfsmittel konzipiert. Deshalb gibt es in den Leitlinien der Bundeskanzlei keine starren Vorschriften oder gar das Verbot gewisser Ausdrücke.", so Abegglen. Der Eindruck, es sei daran gedacht, Worte wie Mutter oder Vater durch Elter zu ersetzen, treffe jedenfalls für die Bundeskanzlei nicht zu und dürfe auch nicht aus der vom BLICK zitierten Stellungnahme der stellvertretenden Leiterin des zentralen Sprachdienstes der Bundeskanzlei, Isabel Kamber, abgeleitet werden. Der Vertreter aus der Bundeskanzlei betonte, Isabel Kamber habe gegenüber der Zeitung BLICK lediglich feststellt, daß die Leitlinien der Bundeskanzlei verbindlich sind. Sie habe sich jedoch nicht zur Verwendung einzelner Begriffe wie Mutter, Vater oder Elter geäußert, wie es aus der verkürzten Darstellung in der Zeitung BLICK verstanden werden kann.
Ein Problem für das richtige Verständnis des Zusammenhanges zwischen den Leitlinien der Stadt Bern und der Bundeskanzlei liegt nach Auffassung von Thomas Abegglen darin, daß die Stadt Bern eine stark verkürzte Version verwendet, die mit der Leitlinie der Bundeskanzlei (Bild links) nicht deckungsgleich ist, sondern lokale Abwandlungen enthält. In solchen Verkürzungen sieht Abegglen grundsätzlich ein Problem mißverständlicher und unerwünschter Auslegung und Handhabung. Aus seinen Erläuterungen geht hervor, daß es keine Listen von Wörtern gibt, die angeblich ersetzt werden müssen, z.B. "Fussgängerstreifen" durch "Zebrastreifen" oder "Führerausweis" durch "Fahrausweis". Solche Begriffspaare stünden zwar im Leitfaden, aber es stehe nirgendwo, daß diese Ausdrücke statt den bisher gängigen verwendet werden müssten. Der Leitfaden stelle lediglich fest, dass solche Begriffe "als nicht geschlechtergerecht wahrgenommen werden können" und deshalb geprüft werden sollte, "ob es nicht eine gleichwertige 'neutrale' Alternative" gibt. Die Liste mit Ersatzausdrücken solle "einige Anregungen" liefern. Abegglen stellte zum Problem der Ersatzausdrücke weiter fest: "In dem Sinne sind auch die Aussagen des Büros für Gleichstellung der Stadt Bern, wonach diese Begriffe aus dem Leitfaden der Bundeskanzlei stammen, verkürzt. Der Leitfaden der Stadt Bern nimmt die Begriffe auf, legt aber mit der summarischen Darstellung 'Statt x schreiben Sie y' nahe, dass hier die Behörde gewisse Wörter verbieten will. Das tut der Bund nicht. Tatsache ist: 'das Elter' ist neben 'Elternteil' aufgeführt, mit dem Vermerk 'sehr selten'. Aber: Niemand will 'Vater' und 'Mutter' abschaffen. Personen sollen mit ihrem Namen bezeichnet werden. Der Leitfaden führt lediglich die sprachlichen Mittel auf, die es gibt, und die beim Verfassen allenfalls verwendet werden könnten. Eine Möglichkeit sind dabei sogenannte geschlechtsabstrakte Personenbezeichnungen, deren grammatikalisches Geschlecht nichts über das natürliche Geschlecht aussagt. Und in gewissen Situationen eignen sich solche Bezeichnungen tatsächlich besser als die geschlechtsspezifischen Ausdrücke (z.B. statt «Ist der Vater bzw. die Mutter voll erwerbstätig, so betreut in der Regel die Mutter bzw. der Vater die Kinder» besser «Ist der eine Elternteil erwerbstätig, so betreut in der Regel der andere Elternteil die Kinder», was nicht heißt, dass Kinder nicht mehr Vater und Mutter, sondern nur noch Elternteile haben!) Ob eine Alternative verwendet werden soll oder nicht, hängt ganz vom Text ab und liegt im Ermessen der Autorin/des Autors."
Wegen der Komplexität des Problems, eine „geschlechtergerechte Sprache“ zu verwenden, hat die Bundeskanzlei bislang keine Kurzfassung ihrer 192 Seiten umfassenden Leitlinie herausgegeben. Diese Leitlinie hat ein Projektteam von Frühling 2008 bis November 2009 ausgearbeitet. Das Team bestand aus drei Mitarbeiterinnen des Zentralen Sprachdienstes (Deutsch), darunter Isabel Kamber, einer externen Fachperson der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sowie zwei Studentinnen für punktuelle Recherchearbeiten. Der Leitfaden wurde zusammen mit der Sektion Kommunikationsunterstützung der Bundeskanzlei gestaltet.
Nach Auffassung von Abegglen erzeugen Kurzfassungen eher Verständnisprobleme als tatsächlich eine solide Hilfestellung zu gewähren, gerade weil man in Details wie der Frage, ob es etwa „Fußgängerstreifen“ oder „Zebrastreifen“ heißen soll, auch geteilter Meinung sein könne. Abegglen sieht sich durch die aktuellen Erfahrungen in der Kommunikation über die Leitlinie der Stadt Bern in der bisherigen Verfahrensweise der Bundeskanzlei bestärkt. Diese habe sich bewährt und soll auch künftig beibehalten werden.
Der „Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren“ (Bild oben) der Schweizerischen Bundeskanzlei ist im Internet zugänglich unter der Adresse www.bk.admin.ch > Dokumentation > Sprachen > Deutschsprachige Dokumente
MEDRUM -> Mutter wird amtlich durch "das Elter" ersetzt
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