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Angriff gegen evangelikale Christen harmlos?


28.12.08

Angriff gegen evangelikale Christen harmlos?

Meinungsäußerung versus Volksverhetzung

Ein Zwischenruf von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Ist die Bezichtigung evangelikaler Christen, sie stellten wie Islamisten wichtige Freiheitsrechte in Frage und verbreiteten verfassungsfeindliche Ideologien, eine harmlose Meinungsäußerung, die zum "fairen" und "demokratischen" Streit und Meinungspluralismus gehört, wie es der Chefkoordinator des Magazins "Q-rage" Eberhard Seidel und der Bundestagsabgeordnete Volker Beck, Menschenrechtssprecher von Bündnis 90 / Die Grünen erklärten, oder ist sie eine Diffamierung, gegen die die Evangelische Allianz zu Recht protestieren mußte? Eine Hilfestellung zur Beantwortung dieser Frage kann die Betrachtung des Begriffs der "Volksverhetzung" geben.

Volksverhetzung ist ein Begriff, der aus dem Strafgesetzbuch stammt und der freien Meinungsäußerung über Bevölkerungsteile in der Öffentlichkeit Grenzen setzt. Wer verstehen will, warum und wodurch das Recht auf freie Meinungsäußerung über andere beschränkt ist, kommt also nicht umhin, sich mit dem Strafgesetzbuch und der Rechtsprechung dazu zu befassen.

Der Gesetzgeber will gewährleisten, dass Bürger friedlich zusammenleben und dieses Zusammenleben nicht gestört wird. Der öffentliche Friede soll gewahrt bleiben. Zu diesem friedlichen Zusammenleben gehört zwar gerade in der freiheitlichen Demokratie der Streit von Meinungen, er findet aber dort seine Grenze, wo er Formen annimmt, die das friedliche Miteinander gefährden. Dies gilt vor allem für Meinungsäußerungen über Bevölkerungsteile oder gesellschaftliche Gruppen, denn hier geht es - im Gegensatz zur Auseinandersetzung zwischen einzelnen Personen -  um das Zusammenleben größerer Gruppen miteinander, zum Beispiel das Zusammenleben von Bürgern muslimischen, christlichen und jüdischen Glaubens oder auch von Bürgern verschiedener ethnischer Herkunft. Wer hier Verächtlichmachung oder Stimmungsmache zulässt, leistet dem Ausbruch feindseliger Taten und der Gewaltanwendung in der Gesellschaft Vorschub. Genau dies trat - entgegen unwahrerer Darstellungen des Magazins "Q-rage" - beim Jugendkongress Christival 2008 ein, bei dem nach einer wochenlangen Kampagne gegen die Veranstaltung Bremer Autonome gewaltsam gegen Christival-Teilnehmer vorgingen, die dann durch Einschreiten der Polizei in Schutz genommen werden mussten.

Mit dem Tatbestand der "Volksverhetzung" im Strafgesetzbuch stellt der Gesetzgeber deswegen diejenigen Handlungen unter Strafe, die zum Beispiel zum Hass gegen Bevölkerungsteile oder gesellschaftliche Gruppen aufrufen oder sie beschimpfen, böswillig verächtlich machen oder verleumden (-> Strafgesetzbuch § 130 ). Hierzu gehören öffentliche Äußerungen oder das Verbreiten von Schriftgut, die den öffentlichen Frieden stören. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Störung des öffentlichen Friedens tatsächlich eintritt, sondern lediglich darauf, dass solche Handlungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören.

Dies wird am Beispiel eines Gerichtsurteils deutlich, in dem ein Sachbearbeiter eines Landratsamtes im Jahr 1994 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 66.- DM wegen Volksverhetzung verurteilt wurde.

Er hatte in seinem Dienstzimmer ein Flugblatt an der Wand aufgehängt, in dem Asylbetrüger in Gedichtsform pauschal als Aidskranke, Faulenzer, Rauschgifthändler und Betrüger diffamiert wurden. Dieses Flugblatt konnte von Besuchern, die sein Dienstzimmer betraten, gelesen werden. In dieser Handlung des Sachbearbeiters sah das Oberste Bayerische Landesgericht den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt an. Der Angeklagte habe in einer Weise, die geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer, die einen Teil der Bevölkerung darstellen, dadurch angegriffen, dass er sie böswillig verächtlich machte, stellte das Gericht fest.

Dieses Urteil ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.

  1. Der Inhalt des Flugblattes richtete sich gegen eine Personengruppe, die sich betrügerisch verhält (Asylbetrüger).
  2. Die Kenntnisnahme des Flugblattes war auf einen verhältnismäßig kleinen Personenkreis von 12- 15 Besuchern pro Tag und auf einen kurzen Zeitraum von höchstens etwa drei Wochen begrenzt (also maximal 300 Personen).
  3. Das Verfahren durchlief mehrere Instanzen. Das Urteil wurde nach Berufungsverhandlungen und Revisionsantrag durch das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigt.

Legt man dieses Urteil als Maßstab an, sind Äußerungen die sich in weitverbreiteten Schriften über große Bevölkerungsteile äußern, zweifellos mit noch größerer Vorsicht zu betrachten. Der verqueerte Angriff von „Q-rage" auf ganze Gruppen evangelikaler Christen, der in Millionenauflage an 20.000 deutsche Schulen verbreitet wurde, steht deshalb zunächst durchaus in ähnlichem Verdacht geeignet zu sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Hier ist eine Vielzahl von Bürgern betroffen, die einen großen Teil der Bevölkerung darstellen und sich in ihrer Menschenwürde dadurch angegriffen fühlen, dass sie sich aus nachvollziehbaren, objektiv belegbaren Gründen böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet sehen.

Der Protest der Evangelischen Allianz ist vor diesem Hintergrund nicht nur verständlich, sondern zwingend geboten, weil sie auch aus ihrem Verantwortungsbewußtsein für das Allgemeinwohl eine Störung des öffentlichen Friedens durch derartige Äußerungen nicht hinnehmen darf. Diese Einsicht sollte auch bei einem Abgeordneten wie Volker Beck und den Verantwortlichen bei der Aktion Courage wie dem Koordinator der Zeitung Eberhard Seidel sowie der Chefredakteurin Sanem Kleff vorausgesetzt werden dürfen. Sie sollten deswegen nicht länger an Positionen und Schriften festhalten, die ihre demokratische Kompetenz erschüttern und gegen den Beutelsbacher Konsens verstoßen (auch wenn sie durch "TAZ" und "Spiegel" dabei unterstützt werden). Schriften, die nicht über den Zweifel erhaben sind, durch pauschale Verunglimpfungen evangelikaler Christen antichristliche Stimmung zu erzeugen und das friedliche Miteinander zu stören, erscheinen nicht geeignet, in der politischen Bildungsarbeit an deutschen Schulen verwendet zu werden.


MEDRUM-Artikel
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