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Diskussion um Spätabtreibungen und Abtreibungspraxis

22.04.08



Diskussion um Spätabtreibungen und Abtreibungspraxis -
Einigung bei der strittigen Frage von Spätabtreibungen in Sicht?

Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Volker Kauder hat vor dem Hintergrund seines Treffens
mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer am Donnerstag geäußert, er sehe eine Chance zu einer Einigung mit der SPD in der Frage der Spätabtreibungen. Spätabreibungen sind seit längerer Zeit Gegenstand der ganz besondere Sorge unterschiedlicher Stellen.

So hat die Bundesärztekammer Anfang März eine rasche Änderung der Regelungen zur Spätabtreibung gefordert. Wie das Bundesärzteblatt mitteilte erklärte Präsident Jörg-Dietrich Hoppe dazu, "die Politik wisse um die Probleme, die mit der Neufassung des Abtreibungsrechts 1995 entstanden seien. Sie sei aber offenbar bislang zu feige, diese zu lösen. Dabei gehe es nicht um eine neue Generaldebatte über den Paragrafen 218a StGB, sondern nur um eine Ergänzung."

Auch der Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising hat kürzlich in einer Erklärung zur Abtreibungsmentalität und -praxis massive Kritik geäußert und darin auch auf Spätabreibungen als Skandal hingewiesen. In seiner Erklärung vom 31.03.08 stellt er u.a. fest, dass sich im öffentlichen Bewusstsein ein gravierender Wandel vollzogen habe. Entgegen dem geltenden Recht und entgegen dem ärztlichen Ethos werde die Abtreibung heute von vielen in rechtlicher Hinsicht als legal und erlaubt, in medizinischer Hinsicht als normaler Eingriff und als Standardangebot des Gesundheitswesens beurteilt, so der Diözesanrat. "Innerhalb kurzer Zeit drohen elementare Wertüberzeugungen in unserer Gesellschaft wegzubrechen.", heißt es weiter. Aus dieser Position heraus verweist der Diözesanrat darauf, dass das Bundesverfassungsgericht dem deutschen Bundestag im Blick auf die Abtreibungsgesetzgebung eine Beobachtungspflicht auferlegt habe und stellt fest: "Der deutsche Gesetzgeber ist dieser Pflicht, die Wirkungen des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes zu beobachten und zu überprüfen, nicht einmal in Ansätzen nachgekommen. Wir fordern den deutschen Bundestag auf, das Versäumte nachzuholen und dabei den Blick auch auf den Skandal der Spätabtreibungen zu richten."

Mit seiner generellen Kritik weist der Diözesanrat auf das sogenannte zweite Abtreibungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes hin, das vor 15 Jahren am 28. Mai 1993 verkündet wurde. In diesem Urteil hatte das Gericht dem Gesetzgeber auferlegt zu beobachten, ob das Konzept, einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen straffrei zu stellen, falls nachweisbar eine Beratung stattgefunden habe, einen hinreichenden Schutz für das ungeborene Leben gewährleiste.

Zu Frage der beobachteten Auswirkungen auf die Abtreibungspraxis hatte es im Jahr 2004 eine Kleine Anfrage im Bundestag gegeben, die mit Drucksache 15/3155 15. Wahlperiode vom 18. 05. 2004 von der Bundesregierung behandelt wurde. Aus den darin bekannt gegebenen Zahlen geht u.a. hervor, dass die Zahl der in der Statistik erfassten Schwangerschaftsabbrüche in den Jahren 1996-2003 bei durchschnittlich ca. 130.000 Abbrüchen pro Jahr bzw. bei ca. 76 Abbrüche pro 10.000 Frauen lagen. Auffällig war ein Anstieg der Abbrüche in der Altersgruppe der jungen Frauen im Alter von 15-18 Jahren von 33 Abbrüchen auf über 50 Abbrüche pro 10.000 Frauen jährlich.

Zur besonders schwierigen Frage von Spätabtreibungen, bei denen es meist um Schwangerschaftsabbruch wegen Behinderungen geht, fand noch im Jahr 2004 am 14. November eine Aussprache im Bundestag statt, bei der die Zahl von Spätabtreibungen für das Jahr 2003 auf 337 Fälle beziffert wurde (Abbrüche bei Kindern, die medizinisch als lebensfähig gelten, in der Debatte genannt "Abbrüche nach der 22. Schwangerschaftswoche," zwischen der 13. und 23. Woche 217 Abbrüche). Ein Entschließungsantrag der Unionsparteien zur Vermeidung von
Spätabtreibungen hatte keinen Erfolg. Die damalige Koalition (SPD und Bündnis90/Die Grünen) hatte keinen Handlungsbedarf für Gesetzesänderungen gesehen. Im März 2005 befasste sich der Bundestag erneut mit Vorschlägen zum Thema Spätabtreibungen, die am 10.03.2005 in die Ausschussberatung gegeben wurden.

Bisher gab es keinen Konsens bei Union und SPD. Sie haben jedoch im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie die geltenden Regelungen
überdenken wollen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU will nun auf die SPD mit einem neuen Vorschlag zugehen. Demnach könnte künftig eine Pflicht-Beratung durch einen Arzt vorgeschrieben
werden, die es bisher nur für Schwangerschaftsabbrüche bis zur
zwölften Woche gibt. SPD, FDP und Grüne plädierten dagegen bisher mehrheitlich für freiwillige Angebote.

Die Frage der Abtreibung hatte zuletzt auch europaweit eine aktuelle politische Bedeutung gewonnen, als im Europarat eine Resolution zur Schaffung eines "Rechtes auf Abtreibung" mehrheitlich gegen die Stimmen der EVP verabschiedet wurde. Gegen diese Resolution hatten zahlreiche Lebensschutzorganisationen und kirchliche Stellen ihre ablehnende Haltung ausgesprochen. Die im Bundestag vertretenen Parteien hatten dazu keine einheitliche Linie vertreten. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob sich Union und SPD in der Frage der Spätabtreibungen auf eine gemeinsame Linie verständigen können und wo der gemeinsame Nenner liegen wird.


Gedicht --> Das ungebor'ne Leben