25.08.11
Sendung Markus Lanz: Hokus, Pokus, Fliegibus - Fliege kostet, heißt der Schluss
Spiritualität und Segen der Fliege-Essenz soll 18,58.- Euro pro 95ml-Flasche in Flieges Kasse bringen
(MEDRUM) In der Sendung Markus Lanz vom 23.08.2011 stand der besonders aus dem Fernsehen bekannte Pastor Jürgen Fliege mit seiner von ihm gesegneten Fliege-Essenz unter massivem Druck. Der Hauptvorwurf: Esoterische Geschäftemacherei zu Lasten gutgläubiger Leute.
Jürgen Fliege stellte sich in der Sendung Markus Lanz einer engagiert und pointiert geführten Auseinandersetzung über seine heftig kritisierten und umstrittenen Aktivitäten. Von besonderer Bedeutung sind eine Essenz, die als Fliege-Essenz vertrieben wird, und sein Kongress in Bad Wörishofen, der als Heiler-Tage angepriesen wird. Sogar der Ratsvorsitzende der EKD, Präses Nikolaus Schneider, soll Jürgen Fliege zufolge zunächst zugesagt haben, bei dieser Veranstaltung als Redner aufzutreten. Weil heftige Kritik an Pastor Flieges Aktivitäten entbrannte, machte Markus Lanz die Esoterik-Vorwürfe an Fliege zum Thema seiner Sendung.
Drei Sprühstöße am Tag - bei Bedarf wiederholen
Die Kontroverse in der Gesprächsrunde von Markus Lanz, unter den Gästen der Literaturkritiker Hellmuth Karasek und die Publizistin Jutta Ditfurth, konzentrierte sich zu einem großen Teil auf die Fliege-Essenz. Drei Sprühstöße am Tag sollen helfen: Morgens, mittags und abends. Markus Lanz leitete die Diskussion mit Hinweisen zur Anwendung der Essenz ein: "Verzehrhinweis: Je drei kräftige Sprühstöße in den Mund. Sprechen Sie vor der ersten Gabe das Wort ‚Glaube’, zum zweiten Sprühstoß das Wort ‚Liebe’ und zum dritten das Wort ‚Zuversicht’ aus. Bei Bedarf wiederholen."
Die anschließende Diskussion widmete sich zunächst dem geschäftlichen oder kommerziellen Aspekt. Jürgen Fliege betont vorweg: "Hauptsache ist, wenn man das Produkt mit dem Fliege-Segen kauft, kostet es keinen Cent mehr. Sondern es gibt es auf dem Markt. Der Fliege-Segen kostet keinen Cent mehr." Auf drängende Nachfrage von Markus Lanz, "Sie verdienen also nichts?", räumt Fliege dann ein: "Ich verdiene an dem Produkt, wenn eine Flasche verkauft worden ist, irgendwann 5 Euro." "Stimmt nicht, falsch!", wirft Jutta Ditfurth ein: "Es sind 18 Komma irgendwas Euro, die Sie kriegen, laut Hersteller." Fliege weist dies von sich: "Nein, nein, nein." Die Diskussion sollte sich nicht darauf reduzieren, meint der Ex-Fernsehpfarrer. Hellmuth Karasek wirft ein: "Geldschneiderei ist doch immer das Interessanteste, wie man Leute über den Löffel balbiert." Markus Lanz klärt auf, was das Unternehmen, das die Fliege-Essenz vertreibt, zum Verdienst von Jürgen Fliege sagt. Demnach erhält Fliege von 39,95.- Euro, die jede Flasche kostet, 18,58.- Euro pro Flasche. Fliege widerspricht. Er habe andere Informationen. Er bekomme von jeder Flasche fünf Euro, hält Fliege entgegen. Aber sein Thema sei ein völlig anderes, er wolle über Spiritualität reden. Lanz wirft nochmals ein: "Sie sagten vorhin, das kostet mit Fliege-Segen kein bisschen mehr als ohne Fliege-Segen. Wenn Sie fünf Euro verdienen, ist das nach meinem arithmetischen Verständnis schon mal nicht möglich ..." Aus der Runde kommt spontan die Frage: "Was ist eigentlich der Fliege-Segen?". Karasek wirf ein: "Ich kenne eigentlich nur den Fliegen-Schiss." Lanz verspricht: "Was der Fliege-Segen ist, klären wir noch."
Nicht nur das Geld, auch die Wirkung der Essenz wird nun eifrig diskutiert. Fliege versucht sie zu erklären: "Wenn wir selber zu uns sagen, dies ist eine gute Medizin, dann wirkt sie in meinem Körper anders als wenn ich sage, das ist ein Gift, was meinen Krebs besiegt. ... Achtung! Man kann Dinge wie Essen, wie Brot, segnen. Und dadurch verändert man das Essen. Theoretisch könnte man sagen: Man geht in Resonanz damit, in irgendeiner Weise. Es ist auf einmal mein Brot geworden." Seine Erklärung bleibt umstritten. Karasek: "Wir leben im 20. Jahrhundert. Ich weiß genau, dass die Kirche inzwischen beim Weihwasser keine materielle Änderung mehr verspricht. Sie denkt nur, ein sakraler Raum wird betreten. Und da wirst Du weder gesünder noch kranker noch must Du für das Weihwasser irgendwas bezahlen." Jutta Ditfurth, bekennende Atheistin, setzt fort: "Dieses Wasser interessiert; ist für mich nur ein Symbol für die Abzocke und den Betrug, ... in so vielen Spielarten der Esoteriker. ... Grundsätzlich: Esoterik ist unglaublich praktisch, wenn man so eine Masse von Leuten hat, die so ungebildet oder gerngläubig oder unsicher sind, dass sie drauf reinfallen." Ditfurth kritisiert besonders die Mechanismen, derer sich "Gurus" in der Esoterik bedienen, und die dabei praktizierte "Oben-Unten-Ordnung".
Brauchen Fliege und die Kirche Engelerweckte, Heiler und Handaufleger wie die Heiler-Tage in Wörishofen?
Danach wechselt Ditfurth von der Essenz zu Flieges Wörishofener Heiler-Tagen (MEDRUM berichtete). Ditfurth wendet sich an Fliege: "Sie haben demnächst einen Kongress, da verdienen Sie ein bisschen mehr als mit diesen Wässerchen: Bad Wörishofen. ... Und es gibt einen Bedarf, da mehr Kur-Publikum hinzukriegen. Möglichst viel Leute mit Geld, die nicht viele Fragen stellen. Also ein Esoterik-Kongress, die dritte Runde geht dieses Jahr. Sie haben es angezettelt, mitveranstaltet, ... also die Pharma-Firma hängt da auch irgendwie mit drin. Wer tritt da auf? Interessant ist, dass die Referenten, die Sie einladen, zum Teil die gleichen sind wie die Kolumnisten, ... bei Ihrer Zeitschrift, Fliege-Zeitschrift, ..., wo ich Herrn Hellinger gefunden hab', das ist der, der die Familienaufstellung macht, zum Teil so ne brutale Psychologie, dass Leute dabei draufgehen, sich danach selber umgebracht haben. Alle kritischen Psychologen warnen vor dieser Form der Therapie, dieser Scharlatan ist da auch eingeladen. Dann zwei Frauen, die Engelserweckungen hatten und ihnen persönlich begegnet sind, ne ganze Menge Geistheiler, und dann der allgegenwärtige Dahlke, der so ein großes Potpourri hat, dass er alle esoterischen Sachen verkauft. Und für diesen ganzen Scheiß nehmen Sie an reiner Gebühr, ich habe gelesen: 210 Euro. Wenn da nur Tausend kommen, sind's 210.000 Euro ... die Stadt Wörishofen ist wahrscheinlich glücklich über den Kurbetrieb ..." Markus Lanz stellt dazu die Zwischenfrage: "Das heißt, Sie vermuten ein ganzes esoterisches Netzwerk, ausgehend von dieser Essenz?" Ditfurth: "Es gibt ein Netzwerk von Leuten, ... wo dann immer Tarokarten, Astrologie oder irgendso ein Bullshit an Büchern in den Regalen stehen." Jürgen Fliege zweifelt die Kostenrechnung mit 1000 Teilnehmern an und entgegnet weiter: "Also ob wir über Engel reden, ob wir über Heiler reden, ob wir über Handaufleger reden, muss ich sagen, das sind alles, seit Christi und Paulus Zeiten, Gaben, die wir in der Kirche brauchen, ... weil Hand auflegen, sozusagen, sie zu trösten und nahe zu sein, offenbar Heilkraft hat." Jesus sei nicht als Prediger bekannt geworden, sondern als Heiler, so Fliege.
Fliege: Religion kostet - auch Jesus hatte ein Geschäft
Wie am Ende der Fliege-Segen, seine Essenz und solche Heiler-Tage wie der Kongress in Bad Wörishofen wirklich zu bewerten sind und was sie bewirken, blieb in der Sendung eine keinesfalls überzeugend beantwortete und folglich umstrittene Frage. Auf Nachfrage von Lanz, Fliege möge bitte erklären, was denn passiere, wenn er seine Essenz segne, was da in das Wasser reinkomme, meinte Fliege: "Sorry, ich bin kein Mensch, der das sagen kann. Ich stehe vor diesem Gerät und sage: Ich bete. Ob da irgendwelche zusätzlichen Schalter geregt werden, das weiß ich nicht. Ich sage nur, wenn Du diese Medizin brauchst, und wenn es Dir nützt, dass Du jeden Tag sagst, ich will glauben, ich will lieben, und ich will meine Zuversicht stärken, dann kann Dir dieser Brauch dreimal täglich hilfreich sein."
Klar hingegen wurde im Verlauf der Sendung: Das Beten von Jürgen Fliege über der Essenz kostet (Bild links: Pastor Fliege aus seiner Internetseite). Fliege betonte, die Wirkung der Essenz brauche Zeit. Fliege: "Das kostet mehrere Monate lang, denn so lange brauchst Du, bis es alle ist, dieses Wasser, mehrere Monate lang kostet das 30 Euro. Davon verdient Fliege, das haben wir ja vorhin gesagt, 5 Euro oder auch nicht. Man wird ja sehen, was die Firma mir überweist." Und daran nahm die Runde bei Markus Lanz wie der Moderator selbst Anstoß. "Und das finde ich so perfide, genau mit der Hoffnung von Menschen, die verzweifelt sind, macht man kein Geld", wandte Moderator Lanz ein. Zuvor meinte Lanz über den Unterschied zwischen Weihwasser und der Fliege-Essenz: "Mein Pfarrer schickt mir keine Rechnung. Bei Ihnen steht am Ende eine Konto-Nummer. Und das ist das, was mich stört." Jürgen Fliege wollte das nicht gelten lassen: "Herr Lanz, für jedes "Vater unser", das Ihr Pfarrer betet, kriegt er Geld. Das heißt: Alle Pfarrer sind beamtet und sie kriegen für jedes "Vater unser", für jeden Choral, ... für jede Beerdigung, Geld. Wir bezahlen ihnen dieses Geld am Ende, beziehungsweise am Anfang des Monats. Das heißt: Wir haben in Deutschland, in dieser Kirchensteuer, haben sie 9 Prozent." Jesu habe ein Geschäft gehabt. Und die Kasse habe Judas geführt. Sie müssen sich mal klar machen: Religion kostet."
Bei allem Widerstreit der Meinungen über den Wert und die Wirkung der Fliege-Essenz steht ein Irrtum Flieges fest. Bei Markus Lanz erklärte er, seine Essenz könne man nicht bei ihm bestellen. Auf seiner Internetseite gebe es lediglich einen Hinweis, wo die Essenz bestellt werden könne. Auf seiner Internetseite steht indes:
Bestellung
Gerne nehmen wir Ihre Bestellungen unter Angabe Ihrer vollständigen Lieferanschrift per E-Mail oder telefonisch unter folgender Nummer entgegen: Telefon 089 660797-0 oder essenz@fliege.de
Jürgen Fliege fand in der Sendung von Markus Lanz keine Unterstützer. Er kann sich jedoch mit der Unterstützung von Präses Nikolaus Schneider trösten. Laut einer Pressemitteilung von Jürgen Fliege teilte ihm Präses Schneider kürzlich per Email mit, er wisse, dass er zu ihm stehe. Schneider soll seine Mitwirkung am Heiler-Kongress lediglich aus Termingründen widerrufen haben (MEDRUM berichtete).
Pastor Fliege ist vor allem als langjähriger Fernsehpastor bekannt geworden. Er hat die Fliege-Stiftung gegründet, zu deren Stiftungsrat der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Bayern, Johannes Friedrich, gehört. Von Bischof Johannes Friedrich stammt die Forderung, homosexuelle Menschen sollen ihre Homosexualität fröhlich und friedlich leben können. Zu den weiteren Geschäftsgebieten von Jürgen Fliege gehören die Fliege-Zeitschrift, die Fliege-Talkshow und Fliege-Reisen (zur Zeit die Reise: «Kappadokien - Land der Magie»). Für seine Verdienste erhielt Jürgen Fliege 2009 das Bundesverdienstkreuz. Weitere Information im Internet: www.fliege.de
Die Sendung in der ARD-Mediathek:Markus-Lanz-vom-23-August-2011
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15.08.11 | MEDRUM | Tauziehen um Präses Nikolaus Schneider - Zwischen Esoterik und biblischer Wahrheit |
09.08.11 | MEDRUM | Präses Schneider nicht bei Jürgen Flieges Wörishofener "Heiler-Tagen" |
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Leserbriefe
Fliege, machen Sie die Fliege
Was für ein Unsinn dieser Fliege erzählt. Zu allem bekommt er doch noch eine dicke Pension als Pfarrer. Und das, obwohl er doch gar nichts dafür tut. Und auch nichts dafür getan hat. Was er da über Pfarrer sagt, ist eine Unverschämtheit. Ein Pfarrer bekommt kein Geld für das "Vater unser". Ein guter Pfarrer ist ein guter Seelsorger, ein geisterfüllter Prediger und vieles mehr. Das "Vater unser" spricht bekanntlich die Gemeinde (natürlich mit Pfarrer/Pfarrerin) zum Ende des Gottesdienstes. Ein Pfarrer verkauft kein angeblich geweihtes Wasser. Ich frage mich nur, wie dumm die Menschen sind, so etwas zu glauben. Und noch schlimmer, sie begeben sich da auf ein Gebiet, das gefährlich ist.
Sollte Präses Schneider wirklich mit Herrn Fliege was zu tun haben - bitte, dann treten Sie zurück. Esoterik zerstört unsere Gemeinden. Der Segen Gottes ist nämlich ganz kostenfrei. Und dieser bayerische Bischof - meine Güte, was darf eigentlich noch alles in unserer Kirche getan und verkündet werden? Und darum kommen immer weniger Menchen in unsere Gottesdienste. Wie können sich diese Leute mal verantworten? Und, was vielleicht noch das Schlimmste ist: Frau Dithfurth hatte in diesem Fall noch Recht. Aber durch solche Esoteriker wie Herr Fliege wird unser christlicher Glaube lächerlich gemacht. Und wir haben es schon so nicht immer leicht. Herr Fliege, kehren Sie um, ehe es zu spät ist. Herr Präses Schneider, sagen Sie sich von solchen Praktiken ab, ehe es zu spät ist.
Die Kirche mal im Dorf stehen lassen
... Letztendlich ist es doch wohl egal, ob "der Gläubige" eine Flasche geweihtes Wasser im Internet kauft oder nach Lourdes fährt, damit das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Reiseunternehmen fördert und dort das Quellwasser selber abfüllt. Träufeln, einreiben, schlucken, verschenken - was auch immer: Das Ergebnis auf denjenigen, der glaubt, sollte wohl dasselbe sein. Man kann sich sicherlich darüber aufregen, dass esotherisches Geistesgut und Leistungen verkauft werden. Aber nur im Sinne von "Wehret den Anfängen." Für mich ist entscheidender: Glauben Menschen oder nicht?
Die Runde hat die Richtungen der einzelen Teilnehmer gezeigt. - Wie gehen Menschen miteinander um? Diese Sendung war in der Ausrichtung weder christlich noch humanistisch. Das potenzielle "Schlachtopfer" von der Redaktion in der Sitzordnung in die Mitte von 5 wortgewandten Mitrednern zu platzieren und damit gleichzeitig von links und rechts angegangen zu werden ist genauso fragwürdig wie die Rolle des Moderators, der an diesem Tag diesen Titel nicht verdient hat. Dass ich das was, Herr Fliege als Gläubiger tut und viele anderen Gläubigen tun, nicht verstehe, ist eine andere Sache. Aber Glauben ist frei - auch wenn man selber es für unsinnig hält. In diesem Sinne: Die Kirche mal im Dorf stehen lassen.
Jürgen Fliege und seine Aktivitäten
Wann endlich gebietet wer dem Selbstdarsteller Jürgen Fliege Einhalt? Gern schmückt er sich weiterhin mit der Amtsbezeichnung "Pastor": wäre also nicht längst die Rheinische Kirchenleitung um Nikolaus Schneider in Zugzwang? – Immer noch wird Jürgen Fliege mit Podien, Foren, Talkshows (u.a. im öffentlich-rechtlichen Fernsehen!) salon- und hoffähig gemacht: wann hat es damit ein Ende?